8
Februar
2016

Integration (k)eine Einbahnstrasse – Zur Verwendung der Muttersprache(n) in Schulpausen

„Integration ist keine Einbahnstrasse!“ höre oder lese ich ziemlich oft. Für eine gelingende Integration ist die Bereitschaft der Neuankömmlinge, die Sprache zu lernen und die neue Kultur kennenzulernen, essentiell. Ebenso ist es wichtig, die Gesetze des Landes zu kennen und einzuhalten. Zu einer gelingenden Integration gehört aber ebenso eine Aufnahme in bzw. Teilnahme an der Gesellschaft. Das folgende Bild erklärt die verschiedenen Begriffe sehr gut:

img_3863 sandraImmer wieder wird die Empfehlung bzw. Forderung laut, nur deutsch in der Pause zu sprechen. Es heisst, dies sei für eine Integration notwendig.

Pausen sind für Entspannung und Erholung gedacht. Wer in einem anderen Land einen Sprachkurs gemacht hat oder im Urlaub versucht hat, sich in einer Fremdsprache verständlich zu machen, weiß, wie erschöpfend das sein kann. Die Wissenschaft betont, wie wichtig Erholung für den Lernerfolg ist. Ein Kind, das gerade Deutsch lernt, muss sich im Unterricht viel mehr bemühen und konzentrieren, als ein Kind, das fließend deutsch spricht. Wenn sich die SchülerInnen noch zusätzlich in den Pausen bemühen und konzentrieren sollen, ist das nicht förderlich für den Lernerfolg.

Deutsch als gemeinsame Sprache, bei der sich niemand ausgeschlossen fühlt, ist wichtig. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Muttersprache zu sprechen und diese gut zu beherrschen, der Grundstein zum Erlernen weiterer Sprachen ist. (Dazu gibt es Unmengen an Studien: Hier ein interessanter Artikel.)

Die Muttersprache sprechen zu dürfen, das ist etwas ganz Essentielles für die Persönlichkeitsentwicklung. Was bedeutet es für die eigene Identität, wenn die Umgebung vermittelt, dass meine Sprache nicht willkommen ist? Ist ein für mich ganz wichtiger Teil meines Ichs nicht willkommen? Muss ich einen Teil meiner Identität verleugnen? Schule kann man nicht strikt vom Elternhaus trennen – wir reden hier von Menschen, nicht von Robotern, die in die Schule kommen! LehrerInnen wissen nur allzu gut, dass diese kleinen Wesen ihre Rucksäcke nicht beim Schultor abgeben – vieles kommt mit in die Schule und beeinflusst den schulischen Alltag.

Umgekehrt beeinflusst auch die Schule das Familienleben. Was passiert mit der Familiensprache, wenn Geschwisterkinder in die gleiche Schule gehen und die Schule verlangt, dass sie deutsch miteinander sprechen? Was macht es mit dem Selbstwert eines Kindes, wenn ein Teil dieser Person in der Schule nicht willkommen ist? In Zeiten, in denen der IS Jugendliche rekrutiert, ist das durchaus eine wichtige Frage!

Menschen brauchen (in unterschiedlichem Grad) Aufmerksamkeit. Wir brauchen es wahrgenommen zu werden und unsere Persönlichkeit zu vermitteln. Sprache ist da ein wichtiger Baustein. Schauen Sie sich bitte das folgende Bild an, das „Johari Fenster“ genannt wird:

johari fenster by stroh.

Bei diesem Analysemodell geht es um Selbst- und Fremdwahrnehmung. Was ist mir und anderen über mich selber bekannt (= öffentlich)? Was ist anderen bekannt, mir aber nicht (= blinder Fleck)? Was ist mir bekannt, aber nicht meiner Umgebung (= privat)? Dieser Bereich ist bei mangelnden Sprachkenntnissen bzw. fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten unproportioniert groß. Dies kann zu einem Gefühl von „nicht wahrgenommen werden“ führen, da nur ein sehr begrenzter Teil der Persönlichkeit vermittelt werden kann. Pausengesprächen in der Muttersprache können der Kompensation dienen. Es ist eine Überlegung wert, was passiert, wenn diese Kompensation nicht ermöglicht wird.

Wenn Menschen zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, versuchen einige nach dem Motto  „Schlechte Aufmerksamkeit ist besser als keine Aufmerksamkeit“ mehr davon zu bekommen. Die Frage ist, in welchem Ausmaß ein Verbot der Verwendung der Muttersprache Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern fördert.

In jedem Fall ist die Verwendung der Muttersprache ein wichtiger Faktor bei der Integration von Kindern in der Schule, der gut berücksichtigt werden sollte.

 

 

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