23
Juni
2025

Ein Schleier aus Schmerz liegt über der Stadt

Ein Schleier aus Schmerz liegt über der Stadt

Nicolina Bek, ISOP Schulsozialarbeit

Ein Tag wie viele andere
So wird geglaubt
Smalltalk im Schulhaus, es wird noch geplauscht
Fast geschafft –
Sommerferien zum Greifen nah,
Projekte, Pläne, Sonnenschein.
Nur noch ein paar Tage.

Dankbarkeit liegt in der Luft
Nach allem, was war –
dieses Jahr.
Von Bombendrohung zu Evakuierung.
Übung – Ernstfall – weiter.

Zwei Stunden später.
Eine Nachricht.
Bist du okay?

Was?

Wie meinst du das?
Die nächste Nachricht:
Wo ist deine Schule?

Die Finger öffnen
wie von selbst
Social Media.
Am Screen, sofort
Schock

Stille im Kopf
Augen schließen,
einmal atmen.
Dann: funktionieren.

Krisenmodus.
Schulleitung. Elternbrief. Klassen durchgehen.
andocken, anbieten, zuhören.

Die ersten Kinder kommen.
„Meine Freundin …?“
„Mein Freund?“
„Ich erreiche meine Schwester nicht …“

Ein Lauffeuer.
kein echtes,
aber es brennt.

Angst.
Beklommenheit.
Unwissen.
Tränen.

Die Kinderstimmen werden leiser.
Still.

Doch draußen –
Sirenen.
Einsatzwagen.
Hubschrauber.

„Noch jemand ist gestorben.“
„Gerade stirbt jemand.“
Kinder denken lautlos
gegen den Lärm.

Stunden vergehen.
Sirenen werden weniger.
Geräusche auch.
Und irgendwann
Schulschluss.

Doch ist es vorbei?

Im Wissen was schon ist passiert,

im Unwissen, was da noch kommen wird

Der Heimweg
langsam.
Schwer.
Zu viele Fragen.
Zu viele Lücken
im System.

Nächster Morgen:
Hoffnung,
es war nur ein Traum.
Doch auf Social Media schreien die Headlines
Es. War –
Echt.

Und das Herz
wird schwer.
Beklommene Schritte zur Schule.

„Ich hab die Schüsse gehört,
aus dem Park nebenan“
„Ich hab von der Wohnung zugesehen.“
Es ist gewiss –
der Schock sitzt tief.

Und bleibt.

Wieder ein Tag.
Wieder Tränen.
Wieder Schweigen.
Sie gedenken
sie basteln
sie schreiben

Die Schule steht
Zusammen.
Still.
Fühlt – mit.

Dann: Worte suchen.
Fragen stellen.
Antworten finden?

„Waffengesetze ändern?“
„Nein – wer es wirklich will, kriegt’s im Internet.“

„Was braucht es dann?“

„Dass jeder Mensch das Gefühl hat,
etwas wert zu sein.“
„Dass man mindestens einen Freund hat,
der sagt: Du bist gut. Ich bin stolz auf dich.“

Diese Kinder.
Zwölf Jahre alt.
Und sie verstehen,
was keiner verstehen will.

Andere fragen:
„Wie kann ich je wieder sicher sein?“
„Was, wenn jemand was im Rucksack hat?“
„Ich will nicht mehr in die Schule.“

Wieder andere trauern:
„Die Eltern
– sie haben alles erhofft.“
„Wie lebt man weiter, wenn da ein Loch,
im Herz, das kein Pflaster schließt?“

Ein Rütteln am Sicherheitsgefühl.
Ein gesellschaftlicher Schock.
„Wie kann es weitergehen?“

Und die Antwort der Politik
Kürzungen.
Nur drei Tage danach –
Kürzungen
bei Prävention,
bei Sozialem,
bei allem, was hält.
Was schützt.
Was trägt.

Während Lehrpersonen
unter Polizeischutz unterrichten.
Während Kinder
bewaffnete Polizisten
auf dem Schulgang treffen.
Während der Ort,
der sicher sein soll,
nicht mehr sicher ist.

Fragen,
Fragen,
Fragen –
keine Antworten.

Was bleibt,
sind Sätze,
die niemand sagen will:

Ich habe meine Freundin verloren.
Meinen Freund.
Meine Freund:innen.

Und  –
in den stillsten Kreisen:
Ich habe meine Tochter verloren.
Meinen Sohn.
Und andere.

Wie ein Schleier
liegt Schmerz über der Stadt.

Wie Rauch,
der nicht abzieht.
Über den Schulen.

Und nichts –
nichts ist mehr
wie es vorher war

 

 

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