18
Februar
2013

Schulsozialarbeit als Beitrag zur Chancengleichheit im Bildungssystem

Neulich war ein sehr interessanter Artikel in der Zeit, der sich mit Arbeiterkindern, Bildungssystem und Chancengleichheit beschäftigt. Laut Artikel schaffen es in Deutschland 24% der Nichtakademikerkinder an die Universität. In Schweden, wo es eine Gesamtschule gibt, schaffen es 66% der Nichtakademikerkinder.

Schulsozialarbeit bemüht sich, auch einen Beitrag zur Chancengleichheit im Bildungssystem zu leisten. Dazu das zweite Fallbeispiel unserer Serie.

Fallbeispiel des Schülers H

Eine Lehrerin kam ins Büro der Schulsozialarbeit und berichtete, dass der Schüler H. gerne Kin-dergartenpädagoge werden möchte. H. müsste dazu eine weiterführende Schule für Kindergartenpädagogik besuchen. Er ist sehr ehrgeizig und zielstrebig, verfügt über eine überaus hohe soziale Kompetenz und für die österreichischen Kindergärten wäre er, ohne zu übertreiben, eine immense Bereicherung. Dessen sind sich die Lehrerin und der Schulsozialarbeiter sicher. Um in diese Schule aufgenommen zu werden, müssen jedoch einige Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu gehört unter anderem das Beherrschen von Grundkenntnissen der Notenschrift, der Besitz einer Gitarre sowie die Fähigkeit der Wiedergabe zweier Lieder nach eigener Wahl.

Die Familie des Schülers H. kann sich keine Gitarre, geschweige denn Gitarrenunterricht leisten. Musik ist ein Luxusgut, das in dieser Familie kaum Thema ist. Kostenloser Gitarrenunterricht für sozial benachteiligte SchülerInnen wird in Graz nicht angeboten. Daraus folgt, dass H. von zu Hause keine Unterstützung erhalten kann. Ganz im Gegenteil muss der Schüler mit zusätzlichem Widerstand rechnen, weil  in seiner Familie jede Art von Bildung, die nicht in erster Linie die Qualifikationen am Arbeitsmarkt erhöht, als sinnloser Zeitverlust und somit Gefahr betrachtet wird. Nicht weil sie ihrem Sohn nicht wohlgesinnt ist, sondern weil diese Familie tagtäglich mit den Ängsten um die bloße Existenzsicherung konfrontiert ist. Dinge, die für andere oft selbstverständlich sind, müssen hier erst hart erkämpft werden. Es ist somit klar, dass in solchen Familien für Bildung weniger Zeit bleibt als in finanziell abgesicherten und privilegierten Familien.

Andere Wege mussten gefunden werden, um den Schüler H. zu unterstützen. Die Lehrerin und der Schulsozialarbeiter gingen daher gemeinsam ein paar Möglichkeiten durch. Schlussendlich kontaktierte der Schulsozialarbeiter ein Musikgeschäft in Graz und erklärte die Situation. Das Geschäft war äußerst entgegenkommend und sicherte zu, eine Gitarre für diesen Schüler zu spenden. Alle waren natürlich sehr froh darüber und auch der Direktor der Schule bedankte sich brieflich bei diesem Musikgeschäft. Ein Freund des Schulsozialarbeiters und ebenfalls Sozialarbeiter, der in einem Jugendzentrum in Graz tätig ist, erklärte sich bereit, dem Schüler ein paar Griffe auf der Gitarre beizubringen und ihn musikalisch für die Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Der Schüler kennt diesen Sozialarbeiter bereits aus dem Jugendzentrum, sie verstehen sich sehr gut und somit wurde auch das Problem der kostenlosen Gitarrenstunden gelöst.

Mittlerweile hat der  Schüler H. seine Gitarre erhalten und er ist fleißig am Üben. Es vergeht kaum ein Tag in der Schule, in dem er dem Schulsozialarbeiter seine Fortschritte nicht mitteilt. Er ist ein sehr ehrgeiziger Schüler und auch seine schulischen Leistungen sind weiterhin gut, was die LehrerInnen bestätigen. Mit der Aufnahmeprüfung hat er nun ein klares Ziel vor Augen, welches er zielstrebig in Angriff nimmt. Somit ist der Schulsozialarbeiter zuversichtlich, dass der Schüler diese Hürde überwinden wird.

Ein kurzes aber typisches Beispiel, in dem Schulsozialarbeit die bestehenden Ressourcen suchte und nutzte, um SchülerInnen aus sozial benachteiligten Verhältnissen zu unterstützen und für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Je besser hier die Zusammenarbeit zwischen LehrerInnen, Schulleitung und Schulsozialarbeit funktioniert, desto leichter sind solche Erfolge zu erzielen.

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