In der Schulsozialarbeit bekommen wir viele Anfragen für ein Praktikum, können aber leider nur ganz wenige Praktikumsplätze anbieten. Den heutige Gastbeitrag hat die Praktikantin Tanja Klinger geschrieben. Sie schildert die tägliche Arbeit einer Schulsozialarbeiterin:
Persönliche Eindrücke einer Praktikantin
Die SchülerInnen der Schule sind zum großen Teil Kinder mit Migrationshintergrund, Jugendliche, die aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammen und durchaus schon in der ersten Klasse massive Gewalterfahrungen mitbringen. Oft haben sie bereits den Erstkontakt mit Drogen und Alkohol hinter sich und stehen vor massiveren Problemen als nur Leistungsdruck und Schulfrust.
Doch schon der erste Kontakt mit den SchülerInnen (beim Bäcker in der Nähe der Schule) zeigte mir, dass meine Praktikumsanleiterin in ihrer Funktion als Schulsozialarbeiterin bekannt, beliebt und durchaus respektiert wird. Beim ersten Rundgang in der Schule wurde das Schulklima schnell deutlich. Schimpfwörter, Rangeleien und das für Jugendliche typisch provokative Verhalten wurden sofort unterbrochen, wenn die Schulsozialarbeiterin kam. Die SchülerInnen begegneten ihr höflich, freundlich, ja sogar fast freundschaftlich. Im Plauderton wurde über die neuesten Fußballergebnisse diskutiert, die Sozialarbeiterin erkundigte sich bei dem einen oder anderen Schüler nach dessen Befinden, eine Schülerin berichtete ihr verschwörerisch von ihrem Wochenend-Date. Eine Rangelei wurde im Beisein von uns beiden zur Rauferei, bei der die Schulsozialarbeiterin schnell und vehement einschritt. Sie beendete die Auseinandersetzung verbal („Genug!“), aber nicht ohne danach zu jedem der Betroffenen zu gehen, um sich ihre Version des Konflikthergangs anzuhören. Mit dem zweiten Burschen wurde dann, ebenfalls wieder in freundschaftlichem Ton, ein Termin bei ihr im Büro vereinbart. Der Junge schien augenscheinlich froh darüber. Dieses Treffen zwischen Schüler und Schulsozialarbeiterin war in keiner Weise ein „hinzitieren“, sondern wie eine Verabredung zu einem Kaffeetratsch. Auch bei späteren Teilnahmen an SchülerInnen-Gesprächen (ich war nur bei jenen dabei, bei denen die SchülerInnen ausdrücklich damit einverstanden waren) hatte ich immer den Eindruck, dass diese Treffen stets von beiden Seiten gewollt sind. Vor allem, weil viele von den SchülerInnen selbst initiiert wurden. („Haben Sie nachher ein bisserl Zeit für mich?“)
Schon der erste Eindruck an der Schule löste in mir ein Wechselbad an Gefühlen aus. Die Atmosphäre in der Schule war alles andere als entspannt, doch allein das Auftauchen der Schulsozialarbeiterin schien in den SchülerInnen etwas zu bewirken. Das Vertrauen, das ihr entgegengebracht wurde, war deutlich spürbar, und ich wurde sofort neugierig aufgenommen. Auch schienen die SchülerInnen keine Hemmungen zu haben, selbst im Gang oder etwas abseits im Klassenzimmer von ihren Problemen zu erzählen. Meine Praktikumsanleiterin in ihrer Funktion als Schulsozialarbeiterin ist durchaus einbezogen in das Leben und die Probleme der SchülerInnen, der Beziehungsaufbau hat scheinbar reibungslos geklappt.
Am zweiten Tag durfte ich bei einem von der Schulsozialarbeit organisiertem Workshop dabei sein. Sie machten mit ihren Lehrern und zwei Sozialpädagogen einen Ausflug auf den Schlossberg, wo sie den ganzen Vormittag lang an einem Outdoor-Workshop zum Thema „Wir in Europa“ teilnahmen. Dieses Projekt war nicht etwa einfach organisiert worden, die Klasse hatte es sich selbst „verdient“, da zwei Schüler dieser Klasse den „Mini-Tischtennis-Wettbewerb“ an der Schule gewonnen hatten. (Ein ebenfalls von der Schulsozialarbeit organisierter sportlicher Bewerb, der an dieser Schule bereits fixer jährlicher Bestandteil ist).
Die Jugendlichen spielten soziale Spiele, machten Gruppenbewerbe zum Thema Europa und durften letztendlich sogar an die Slacklines. So spaßig das Ganze hätte sein können, es gab dennoch schwierige Situationen. Auseinandersetzungen zwischen den SchülerInnen, Überforderungen, Unkonzentriertheit und gruppendynamische Entwicklungen erschwerten den beiden Workshopleitern den Vormittag. Immer wieder wurde seitens der Schulsozialarbeiterin interveniert, ein ziemlich aggressiver Schüler ging mit ihr „spazieren“.
Auch ich hatte die Gelegenheit, mit zwei Burschen, die zuvor an einer gewalttätigen Auseinandersetzung beteiligt waren, zu sprechen. Wir waren etwas abseits vom Geschehen und ich übernahm ein wenig die Funktion des Puffers zwischen den Beiden. Für mich war es schon eine Herausforderung, die beiden Kontrahenten in ein ruhiges Gespräch zu verwickeln, denn immerhin standen da neben mir nicht zwei fünfjährige Hitzköpfe, sondern durchaus stattliche Burschen. Umso überraschter war ich, dass die beiden dennoch auf kindzentrierte Kommunikation und emphatisches Paraphrasieren reagierten. Bald war die aggressive Stimmung draußen und die Gespräche über Haustiere, Freunde und Zukunftsperspektiven wurden möglich und sogar angenehm. Ich denke, am meisten berührt hat mich der Moment, an dem bei einem der Schüler die ganze Coolness fiel und er von seinen Ängsten und Zweifeln erzählte. Die Eltern, die kaum Zeit für ihn haben, die Mutter, die beruflich in Österreich nicht dieselben Möglichkeiten hat, und die Frage, ob er es denn schaffe, jemals die Schule abzuschließen, um Automechaniker zu werden…. Vor mir stand nicht mehr ein Jugendlicher, ein sich prügelnder Rebell, sondern ein Kind, das Ängste und Sorgen hatte, und Unterstützung und Hilfe benötigte. Ziemlich harter Tobak, ich muss sagen, mich bewegt dieses Gespräch noch immer.
In Büro von Schulsozialarbeit bekam ich Einsicht in Workshops und Projekte, die die Schulsozialarbeiterin mit den Jugendlichen in diesem Schuljahr absolviert hatte. Themen wie Liebe und Sexualität, Mobbing, Zivilcourage, Kommunikation, Jugendschutz, gesundes Leben, Teambildung und Suchtprävention wurden aufgegriffen. Es gab Logo-Wettbewerbe, Vorträge eines Jugendrichters, Unterrichtskooperation mit einem Landwirt zum Thema „gesundes Leben“, das Mini-Tischtennis-Turnier sowie sportliche Freizeitangebote wie Boxen und Volleyball. In ihrer Funktion als Schulsozialarbeiterin machte Sandra Kreativangebote und steht nach wie vor in enger Zusammenarbeit mit einem Jugendzentrum, in dem es beispielsweise monatlich einen „Girls-Day“ gibt.
Es gäbe noch vieles zu berichten, und ich bin auch jetzt, beim Schreiben dieser Reflexion, noch immer beeindruckt vom Engagement und der Vielfaltseitigkeit der Schulsozialarbeiterin! Die Wichtigkeit von guter, kompetenter und engagierter Schulsozialarbeit wurde mir durch dieses Praktikum dementsprechend deutlich, und auch die Nachhaltigkeit dieser Arbeit wurde mir vor Augen geführt: Bei einem Gespräch mit einer jungen Frau, einre ehemaligen Schülerin, die bei einem Treffen mit der Schulsozialarbeiterin vom Absprung erzählte, den sie aus ihrer drogenbelasteten Familie geschafft hatte, und davon, dass es mitunter sehr schwierig sei, auf eigenen Füßen zu stehen. Ich hatte einmal mehr den Eindruck, dass hier großartige Arbeit geleistet wird.