24
Februar
2014

Alternative Leistungsbeurteilungen

Gastbeitrag von Martina Panse

Das grundlegende Problem jeder alternativen Leistungsbeurteilung liegt im Bildungssystem selbst, denn ohne eine Reform des Ganzen, verpufft die Wirkung von Änderungen im Teilbereich. Denn der hohe Selektionsdruck schon in sehr frühen Jahren, bedingt die Notwendigkeit der „Sortierung“ der SchülerInnen und diese erfolgt durch die Noten. Deshalb sollte generell der Förderauftrag der Schule, Vorrang vor der Selektion bekommen.

Unabhängig von spezifischen Alternativen zur Ziffernbeurteilung, sollte allgemein die Fähigkeit der SchülerInnen zur Kritikfähigkeit und zur Selbsteinschätzung ihrer Leistung gefördert werden, eine Verbindung von Selbst- und Fremdbeurteilung scheint zielführend. Die Möglichkeit der Mitbestimmung und die Übernahme von Verantwortung seitens der SchülerInnen, würden ebenfalls zur Erhöhung der Lebenskompetenz beitragen. Des Weiteren erscheint die Begutachtung der Leistungen durch mehrere, mit dem Kontext der Leistung und ihrer Entwicklung vertrauten Personen, als sinnvoll. Außerdem sollte nicht die absolute, punktuelle Leistung im Vordergrund stehen und so über Erfolg und Misserfolg eines Kindes entscheiden, sondern der kontinuierliche Lernzuwachs, die individuelle Anstrengung muss honoriert werden. Tests können überdies nur bestimmte Formen von Leistung erfassen und trotz ihrer Begrenztheit (Ver)Urteilungen für einzelne Menschen bedeuten. Unsere Gesellschaft kann sich jedoch die Ausgrenzung vermeintlich schwacher SchülerInnen nicht leisten, anstatt sie abzustempeln und auszusondern, sollten wir sie stark für ihr zukünftiges Leben machen.

Viele Länder wie z.B. Finnland, Frankreich, England, oder Niederlande verzichten über einen längeren Zeitraum (Stichwort Gesamtschule) auf eine selektive Beurteilung der SchülerInnen und betonen so den informativen und fördernden Aspekt der Schule. Alternativen Formen der Leistungsbeurteilung kommen jedoch zum Teil auch in Österreich bereits in Schulversuchen v.a. an Volksschulen zum Einsatz. Die häufigsten sind:

  • Verbale Beurteilungen
  • Lernzielorientierte Beurteilungen (Pensenbücher, Studienbücher, Lern- und Entwicklungsberichte, Lernzielbuch)
  • Beurteilung direkter Leistungsvorlagen (Portfolios)

Bei der lernzielorientierten Beurteilung werden die Fortschritte der SchülerInnen anhand von Lernziellisten eruiert. So entsteht während eines Schuljahres ein jeweils individuelles Kompetenzprofil, das als Basis für Gespräche zwischen LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen dient. Die Förderung der Selbsteinschätzungskompetenz und Eigenverantwortung der Schüler/innen soll mittels dieser Beurteilungsform forciert werden.

Die direkte Leistungsvorlage stellt die konkreten Leistungen der Schüler/innen in den Fokus. Die geleisteten Produkte der SchülerInnen werden dabei meistens in Sammelmappen (Portfolios) zusammengefasst und dienen als Leistungsnachweis. Auch die Demonstration konkreter Kompetenzen in flüchtiger Form (z.B. SchülerInnen zeigen ihre Lesekompetenz indem sie etwas vorlesen) fließt in die direkte Leistungsvorlage mit ein.

Unter den alternativen Bewertungsformen wird v.a. die verbale Beurteilung häufig erwähnt. Neben viel Licht hat diese jedoch auch ihre Schattenseiten. Denn auch sie gründet sich auf dem subjektiven Urteil einer einzelnen Person, mit all den damit verbunden Nachteilen. Doch ihr großer Vorteil ist die differenzierte Betrachtungsweise der Leistung. Individuelle Lernzuwächse werden sichtbar gemacht und honoriert, gezielte Förderung wird ermöglicht. Der Standpunkt der LehrerInnen wird dadurch zudem transparenter.
Doch das Ganze hat natürlich wenig Sinn, wenn es sich dabei lediglich um eine phrasierte Umformung der Note in ein verbales Gutachten handelt. Gegner dieser alternativen Bewertungsform bemängeln außerdem, den dadurch verursachten höheren Zeitaufwand, dass die Formulierungen teilweise v.a. für die Kinder unverständlich sind und letztendlich doch immer der Versuch unternommen werde, die schriftliche Beurteilung wieder in die gewohnten Noten zu dechiffrieren. Die verbale Beurteilung hat somit nur dann Sinn wenn sich die Umwelt, in die sie eingebettet ist, ändert. D.h. den Selektionsdruck beispielsweise durch die Verlängerung der gemeinsamen Schulzeit reduzieren, fachdidaktisch begründete Kriterien für die Beurteilung von Leistungen entwickeln, Kompetenzaufbau der LehrerInnen für die umfassende, differenzierte Leistungserfassung und –bewertung und Sensibilisierung für die Problematiken von Beurteilungen.

Eine Ziffer gibt somit wenig Auskunft darüber, wie sehr sich jemand angestrengt hat, wie gut sie/er in gewissen Bereichen eines Gegenstandes ist und wie sehr er oder sie sich bereits verbessert hat. Eine faire Beurteilung sollte sich deshalb an spezifischen Lernzielen, den Möglichkeiten des Kindes und dessen individuellen Entwicklung orientieren. Die LehrerInnen sollten sich außerdem nicht auf die Aufgabe des Richtens konzentrieren, sondern auf jene des Helfens, sie sollen nicht nur Wissen vermitteln, sondern die Kinder unterstützen, ihre Neugier aufrechterhalten und sie dazu anleiten und ermutigen sich selbstständig Wissen zu erschließen. Denn so entsteht ein nachhaltiger Lerneffekt, Ziffernnoten sind dafür nicht notwendig.

 

 


Quellen:

Hans Brügelmann u.a.. Sind Noten nützlich – und nötig? Ziffernzensuren und ihre Alternativen im empirischen Vergleich. Eine wissenschaftliche Expertise des Grundschulverbandes. Kurzfassung.
http://www.grundschulverband.de/fileadmin/bilder/Publikationen/Mitgliederbaende/NEU_KURZ_Expertise_.pdf vom 17.02.2014

Jörg Lau. Kinder wollen Noten. ZEIT ONLINE.
http://www.zeit.de/2006/27/Titel-Schulnoten-27 vom 17.02.2014

Hans Brügelmann. Misstraut allen Noten! ZEIT ONLINE.
http://www.zeit.de/2006/29/Noten-29 vom 17.02.2014

Rupert Vierlinger. Plädoyer für die Abschaffung der Ziffernnoten.
http://paedpsych.jku.at/internet/ORGANISATIONORD/VIERLINGERORD/VierlingerAbschaffung.html vom 17.02.2014

Ferdinand Eder, Georg Hans Neuweg und Josef Thonhauser (2009) B6: Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung. In: Werner Specht (Hrsg.) (2009) Nationaler Bildungsbericht Österreich 2009, Band 2: Fokussierte Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen, Graz, Leykam.
https://www.bifie.at/buch/1024/b/6 vom 17.02.2014

 

 

 

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