15
Juni
2021

Veränderungen in der Lebenswelt der Schüler*innen seit März 2020

Die besonderen Herausforderungen

Schulleben und Präsenzunterricht haben sich seit Beginn der Coronapandemie im März 2020 stark gewandelt. Schüler*innen, Lehrer*innen und nicht zuletzt Schulleiter*innen waren und sind seither mit großen Herausforderungen und häufigen Änderungen der Vorgaben konfrontiert.

Beim Distance Learning bzw. Homeschooling waren technische Ausstattung und technisches Geschick der Schüler*innen erforderlich, die jedoch vor allem am Anfang nicht immer im nötigen Ausmaß vorhanden waren. Mittlerweile hat sich in diesem Bereich sehr viel zum Positiven gewendet. Vor einem Jahr fehlten vielen Kindern noch Laptops und/oder eine ausreichende Internetverbindung, aber beides wurde ihnen im Laufe der Monate – dankenswerterweise – zur Verfügung gestellt. Aus verschiedenen Gründen war das Unterrichten via MS Teams in manchen Schulen dennoch nicht möglich bzw. wäre es für zahlreiche Schüler*innen, insbesondere für solche mit noch nicht ausreichend gefestigten Deutschkenntnissen, keine passende Methode gewesen. In solchen Fällen wurden oft sehr individuelle Lösungen gesucht und im Idealfall auch gefunden sowohl für die Präsenztage an den Schulen als auch bei den Arbeitsaufträgen des Homeschooling bzw. Distance Learning der Fall, und das obwohl es für die Lehrer*innen einen hohen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutete.

Was sich seit März 2020 nur in wenigen Fällen verändert hat, ist die Wohnsituation der Familien und die daraus resultierende (Konflikt-)Dynamik. Insbesondere in Graz leben die Familien vieler von Schulsozialarbeit betreuter Schüler*innen in teils sehr beengten Verhältnissen, oft zusammen mit mehreren Geschwistern, für die sie Verantwortung übernehmen, die sie betreuen und beim Lernen unterstützen, wenn sie jünger sind. Verstehen ihre Eltern die deutsche Sprache nicht ausreichend, sind die Kinder außerdem für die Weitergabe von Informationen zuständig, wobei sie zum Teil mit beängstigenden Fake-News via Sozialer Netzwerke konfrontiert wurden und immer noch werden. Dazu kommt, dass es im verordneten Zuhausebleiben wochenlang beinahe unmöglich war, sich aus dem Weg zu gehen. Wenn dann auch noch Sorgen, finanzielle Not und andere psychischer Stress die Lage verschärfen, können sich Konflikte leicht zu massiven Auseinandersetzungen auswachsen. Abgesehen davon, was Konflikte und Gewalterfahrung für Kinder und Jugendlichen immer bedeuten, ist es nachvollziehbar, dass für die Schüler*innen die „Schule“ und das regelmäßigen Erledigen von Arbeitsaufträgen in solchen Situationen nicht unbedingt an erster Stelle standen und stehen. Selbst das Netzwerk an Unterstützungsangeboten für Familien konnte im letzten Jahr nicht immer im notwendigen Ausmaß genutzt werden, weil es den Kindern beispielsweise nur teilweise möglich war, ungestört zu telefonieren oder auf anderem Weg Kontakt aufzunehmen.

Drastische Veränderungen, deren Nachwirkungen Schulsozialarbeit vermutlich noch länger beschäftigen werden, resultieren aus den persönlichen Einschränkungen, die Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeitgestaltung erfahren bzw. ertragen mussten und zum Teil immer noch müssen.

Die persönlichen Kontakte zu Gleichaltrigen lagen für lange Zeit brach, obwohl die meisten Schüler*innen versuchten, zumindest mit den Freund*innen telefonisch oder online in Kontakt zu bleiben. So mangelte es ihnen aber an den in diesem Alter ganz besonders notwendigen sozialen Kontakten, am Gemeinsam-Zeit-verbringen und an körperlichen Kontakten. Sehnlicher Wunsch einiger Kinder und Jugendlicher war, sich wieder umarmen oder auch wieder rangeln zu dürfen. Körperkontakt ist immens wichtig, um sich selbst spüren und sich gesund entwickeln zu können. Darüber hinaus brachte die Beschränkung auf digitale Kontakte ganz eigene Probleme mit sich, nicht zuletzt die Gefahr von Cybermobbing, das aus der Ferne nicht bearbeitet/aufgelöst werden kann.

Auch Vereine durften viele Monate lang nicht besucht werden, die Jugendzentren blieben geschlossen – genau aber diese Einrichtungen leisten besondere und besonders wichtige pädagogische Arbeit im Rahmen der Freiwilligkeit. Das alles und nicht zuletzt, dass eigentlich dringendst notwendige sportliche Angebote verboten waren, hat den psychischen Zustand der Kinder und Jugendlichen massiv beeinträchtigt.

In zwei Mittelschulen und in einer Volksschule in Graz dürfen drei Schulsozialarbeiterinnen im Rahmen eines kreativen Corona-Zeit-Reflexionsprojektes Videos drehen, in dem einige Kinder und Jugendliche öffentlich über ihre Herausforderungen und Bedürfnisse sprechen und darüber, wie sie sich selbst helfen und welche Unterstützung sie von den Erwachsenen brauchen. Einige Zitate aus den bisherigen Videos: „Wir haben nur eine Kindheit“ „Es ist nicht cool, in einer Pandemie zu leben“ „Der innere Druck ist groß“ „Ich möchte stolz auf mich sein können“ „Bitte gebt uns mehr Freiraum!“

Auch wenn mittlerweile wieder so etwas wie „Normalität“ einkehrt, wirken die Belastungen und Herausforderungen der Pandemie und vor allem der Lockdowns nach. Depressive Symptome häufen sich, die Gewaltbereitschaft steigt und weit mehr als Erwachsene, von denen auch nicht wenige Schwierigkeiten damit haben, zu „Business as usual“ überzugehen, brauchen Kinder und Jugendliche Unterstützung bei der Rückkehr in ihr „normales“ Leben. Nicht zuletzt deshalb ist in diesem Schuljahr jede Stunde Präsenzunterricht wichtig. Schulsozialarbeit wird in den Einzelberatungen und mit Gruppenangeboten ihren Teil beitragen.

 

 

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