27
April
2021

Verlorene Generation?

Wöchentlich werden neue Studien bekannt, die belegen, dass sich die psychische Gesundheit vieler Kinder und Jugendlicher massiv verschlechtert hat. Es mangelt an sozialen Kontakten und am Miteinander. Die Möglichkeiten zu körperlichen Aktivitäten sind seit langer Zeit stark eingeschränkt und wie der Steirische Landesjugendbeirat in einer Stellungnahme feststellt, fällt es auch den Kinder- und Jugendorganisationen immer schwerer, die jungen Leute, die sie besonders in dieser schwierigen Zeit unterstützen können und wollen, zu erreichen.

Die Schule als sozialer Lernort kann nur teilweise besucht werden, gemeinschaftsstiftende Elemente wie beispielsweise Gruppenaktivitäten sind rar. Der seit Februar praktizierte „Schichtbetrieb“ ermöglicht es Schüler*innen, zwei aufeinanderfolgende Tage pro Woche in der Schule anwesend zu sein. Sind die Schüler*innen in der einen Woche am Montag und Dienstag im Unterricht, müssen sie dann bis zum Mittwoch der folgenden Woche, also sieben Tage auf den nächsten Schulbesuch warten. Das sind weitere sieben Tage, in denen viel Zeit am Laptop und am Handy verbracht wird, was oft eine Zunahme der psychischen Beschwerden verursacht.

An den Präsenztagen wird Unterrichtsstoff vermittelt, wird für Schularbeiten und Tests geübt, werden Arbeitsaufträge des Distance Learning vor- und nachbesprochen. Die meisten Lehrer*innen sind hochengagiert und bemühen sich um das Wohl der Kinder und Jugendlichen. Die derzeitigen Rahmenbedingungen erschweren es allerdings, die psychische Verfassung der Schüler*innen wahrzunehmen.

Die vielzitierte Formulierung der „verlorenen Generation“ suggeriert eine geringe Wahrscheinlichkeit auf Veränderung oder Verbesserung der Situation. Offensichtlich ist jedenfalls, dass viele Kinder und Jugendliche Unterstützung brauchen. Sie wollen nicht nur gehört werden – sie brauchen Angebote, die ihnen helfen, sich trotzdem gut und gesund entwickeln zu können.

Diejenigen Kinder und Jugendlichen, die sehr laut auf ihre Probleme aufmerksam machen, bekommen die Aufmerksamkeit eher. Oft passiert das zwar innerschulisch und außerschulisch auf zurechtweisende Art und Weise, aber sie werden gehört. Manch ruhigere Schüler*innen im Blick zu haben, fällt weitaus schwerer. Sie agieren angepasst und rücksichtsvoll, sie halten sich an die Regeln und erledigen ihre Arbeitsaufträge. Fragt man genauer nach, machen sich Einsamkeit und Ängste bemerkbar. Die Symptomatik reicht von Schlafstörungen bis hin zu Selbst- und Fremdgefährdung.

Um für möglichst viele Schüler*innen da sein zu können, ist ein gut aufeinander abgestimmtes Netzwerk notwendig. Innerschulisch bedeutet dies eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Lehrer*innen, mit den Schulleiter*innen, mit den Beratungslehrer*innen, mit den Schulpsycholog*innen, mit den Schulärzt*innen und mit den Jugendcoaches. Durch gute innerschulischer Zusammenarbeit können persönliche und psychische Probleme früher erkannt werden.

In schulsozialarbeiterischen Beratungsgesprächen klären sich manche Problemlagen und durch kleinere Intervention kann eine große Veränderung erzielt werden. Schwerwiegende Probleme bedürfen zusätzlicher außerschulischer Unterstützung. Um dies überhaupt initiieren zu können, brauchen die Schüler*innen Zeit und Raum, um der Schulsozialarbeiterin oder dem Schulsozialarbeiter von ihren Sorgen und den belastenden Themen zu erzählen. Gemeinsam mit der Schülerin oder dem Schüler werden die weiteren Schritte besprochen und Schulsozialarbeit kann zu themenspezifischen Expert*innen vermitteln und begleiten. Wichtig wäre, dass für psychosoziale Angebote ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen und dass auch Angebote von Jugendzentren und anderen niederschwelligen Einrichtungen in Anspruch genommen werden dürfen.

Die Kinder und Jugendlichen wollen großteils nicht als „verlorene Generation“ wahrgenommen werden. Sie sehen sich eher als ein vorerst vergessener oder wenig beachteter Teil der Gesellschaft. Die Corona-Krise und die damit einhergehenden Maßnahmen haben für Schüler*innen zahlreiche negative, aber auch manch positive Auswirkungen mit sich gebracht. Die Belastungen sind unterschiedlich hoch und die soziale Ungleichheit ist wesentlich deutlicher zu erkennen. Es ist dringend notwendig, die Kinder und Jugendlichen mehr im Blick zu haben und die Rahmenbedingungen und Ressourcen für eine gesunde Entwicklung aller zu schaffen!

 

 

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